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Die verschiedenen Autonomiemodelle Europas wurden zum FUEV-Kongress ausgiebig vorgestellt. Der Landeshauptmann Südtirols, Luis Durnwalder, eröffnete die Diskussion über verschiedene Autonomiemodelle in Europa und stellte den Werdegang der Südtiroler Autonomie vor.
„Unsere Autonomie ist nicht eins zu eins auf andere Minderheiten übertragbar, kann jedoch Beispiel für andere Minderheiten sein“, unterstrich Luis Durnwalder. „Mit Sturheit, Durchhaltevermögen und Freunden lässt sich vieles erreichen“, so der Landeshauptmann.
Durnwalder streifte die Eckdaten der Entwicklung Südtirols ab 1919, ging auf die Versuche der Assimilierung, der Majorisierung und der Aussiedlung ein, erläuterte die Bedeutung des Gruber-De Gasperi-Abkommens und die Politik der 50er und 60er Jahre, erklärte die Abänderung der italienischen Verfassung 1972 und die Tragweite der Streitbeendigungserklärung 1992. Durnwalder erläuterte in seiner Rede zudem die zukünftigen Herausforderungen für Südtirol und die Bestrebungen, die Autonomie insbesondere im Bereich der Steuerhoheit auszubauen.
Bevor die Vertreterinnen und Vertreter verschiedener Minderheiten ihre Autonomiemodelle in Europa vorstellten, gab die FUEV-Vizepräsidentin und Regionalassessorin Martha Stocker einen kurzen theoretischen Überblick über verschiedene Formen von Autonomie.
Der langjährige Präsident Kataloniens Jordi Pujol berichtete in seinem Referat über die historische und aktuelle Lage in Katalonien. Katalonien liegt im Nordosten der iberischen Halbinsel und ist heute eine der 17 autonomen Gemeinschaften Spaniens. Für seine Volksgruppe seien vor allem die Sprache und die Kultur ein wichtiger Bezugspunkt für die eigene Identität. Es sei gelungen diese zu bewahren, zumal Katalanisch heute von rund sechs Millionen Menschen gesprochen werde. „Die katalanische Identität muss dennoch weiter gefestigt werden“, forderte Pujol.
Die Identität der Färör Inseln stand im Mittelpunkt der Ausführungen von Sigmundur Ísfeld, Vizeminister für Außenpolitik. Die Inselgruppe, die zwischen Island und Schottland liegt, ist eine gleichberechtigte Nation innerhalb des dänischen Königreiches und regelt daher viele Zuständigkeiten autonom. Die Bewohner der Färör Inseln würden sich daher auch nicht als Minderheit sehen, da sie in einem Land leben, in dem sie die Mehrheit stellen. Dennoch gebe es vor allem im Hinblick auf die Europäische Union mehrere Fragen, die einer dringenden Klärung bedürfen. Während Dänemark ein Mitgliedsstaat der Union ist, gilt dies für die Färör Inseln nicht. „Unsere Herausforderung ist es, ein Teil Europas zu sein, ohne EU-Mitglied zu werden. Wir suchen zwar die Zusammenarbeit, wollen uns aber nicht vollkommen in die EU integrieren“, so Ísfeld.
Für die Volksgruppe der Ungarn in Rumänien hingegen sei die Europäische Union ein Hoffnungsträger, berichtete Hunor Kelemen, ehemaliger Kulturminister Rumäniens und Vorsitzender der RMDSZ (Demokratische Union der Ungarn in Rumänien). „Wir stellen einen wichtigen Wert für Europa dar“, so Kelemen. Er forderte gleichzeitig die EU dazu auf, sich stärker für die Anliegen der autochthonen Minderheiten einzusetzen. Schließlich würden die Minderheiten niemandem etwas wegnehmen, sondern vielmehr einen Mehrwert schaffen. „Solidarität war und ist eine treibende Kraft in Europa“, betonte Kelemen. Daher sei er zuversichtlich, dass die FUEV mit ihrem Ansinnen einer Europäischen Bürgerinitiative erfolgreich sein werde und damit der Europäischen Union zu einem Rahmenwerk zum Minderheitenschutz verhelfe.
In dieselbe Kerbe schlug auch László Borbély, Vizepräsident der Ungarn in Rumänien (RMDSZ) und ehemaliger Umweltminister. „Gemeinsam werden wir stark sein“, so Borbély. „Wenn wir eine Million Unterschriften sammeln, können wir Europa beweisen, dass wir ein Reichtum sind.“ Borbély ging in seinem Vortrag zudem kurz auf die Geschichte der Ungarn in Rumänien ein, berichtete über aktuelle Fragestellungen und Herausforderungen. „Die Rechte von Minderheiten sollen nicht davon abhängen, ob sie in einer Region zusammenleben“, so Borbély. In Rumänien werde derzeit eine neue Verfassung diskutiert. „Dabei ist es überraschend, dass die neue Mehrheit – die unsere Stimmen nicht braucht – einige für uns wichtige Punkte einführen möchte.“
Von teilweise ähnlichen Erfahrungen berichtete auch Valentin Inzko, Vorsitzender des Rates der Kärntner Slowenen / Narodni svet koroških Slovencev und Hoher Repräsentant der Vertreter der Vereinten Nationen für Bosnien und Herzegowina. „Mit dem neuen Landeshauptmann Peter Kaiser können wir endlich unsere Talente entwickeln und unsere Schätze heben“, so Inzko, der den Südtiroler Landeshauptmann zitierte: „Volksgruppen, die keine Forderungen haben, sind tote Volksgruppen.“ Aus diesem Grund müsse man als Minderheit auch seine Rechte einfordern. „Wir erwarten uns von der Österreichischen Bundesregierung ein neues Volksgruppengesetz.“
Über die Minderheiten und Nationalitäten in Russland, wo es sei es territoriale als auch kulturelle Autonomien gibt, berichtete Tatyana Smirnova, Vertreterin der Internationalen Assoziation der Forscher der Russlanddeutschen Geschichte und Kultur. „Die Rechte der kulturellen Autonomien sowie die organisatorische und finanzielle Unterstützung sind stark eingeschränkt worden“, so Smirnova über die aktuelle Situation. Dazu würden noch sämtliche Probleme hinzukommen, die mit der Migration zusammenhängen.
In Polen hingegen gehe es den Minderheiten nach der Wende von 1990/91 besser, so Norbert Rasch, Abgeordneter des Regionalparlaments in Oppeln (Polen) und Vorsitzender der Sozial-Kulturellen Gesellschaft der Deutschen in Oppelner Schlesien. Dennoch gebe es noch große Ziele, die es zu erreichen gelte. „Wir sind eine Minderheit ohne Schule – das ist bedauernswert und nicht einfach“, beschrieb Rasch. Obwohl Deutsch als Fremdsprache an polnischen Schulen unterrichtet werde, gebe es keine Minderheitenschule. Daher sei es wichtig, dass sich die Minderheit weiterhin und noch stärker als bisher in das politische Geschehen einbringe.
Trotz der sprachlichen Vielfalt Europas und seiner Minderheiten, gebe es dennoch auch viele Gemeinsamkeiten wie der Schutz von Sprache und Kultur, der Stolz auf die eigene Volksgruppe und das Selbstvertrauen nach außen, unterstrich Leanne Wood, Vorsitzende der Plaid Cymru aus Wales (Großbritannien), bereits zu Beginn ihrer Ausführungen. Das walisische Selbstvertrauen sei in den vergangenen Jahren gewachsen, was sich beispielsweise an der zunehmenden Zweisprachigkeit zeige. So spreche bereits jeder fünfte, der in Wales wohnt, Walisisch.
Über die Situation der Lausitzer Sorben, die vor allem in den deutschen Bundesländern Sachsen und Brandenburg leben, berichtete Bernhard Cyz. Der Geschäftsführer des Bundes der Lausitzer Sorben Domowina ist Teil der rund 60.000 Personen starken Minderheit, die auf ein von den Bundesländern und der Bundesrepublik Deutschland abgesichertes Schutzregelwerk bauen kann. Dies betreffe vor allem die kulturelle Selbstverwaltung. Dennoch sei auch ein Appell an die Politik nötig, um den momentanen Zustand weiter zu verbessern. „Wir brauchen die Unterstützung Europas und des Staates“, rief Cyz beim FUEV-Kongress in Brixen auf.
Oliver Paasch, Minister für Unterricht, Ausbildung und Beschäftigung der Deutschsprachigen Gemeinschaft in Belgien ging in seinem Festvortrag kurz auf die wechselhafte und leidvolle Geschichte der deutschsprachigen Belgier ein. „Mein Großvater hat beispielsweise in seinem Leben insgesamt vier Mal die Nationalität gewechselt, obwohl er seine Heimatstadt nie verlassen hat“, so Paasch. Die Deutschsprachige Gemeinschaft in Belgien sei das kleinste Bundesland in der Europäischen Union, so der Minister. Paasch erläuterte anhand von konkreten Beispielen aus der Bildungspolitik, wie eine kleine Grenzregion dank europäischer Zusammenarbeit Hervorragendes leisten kann. „Dies ist nur möglich, weil wir uns gezielt in europäische Netzwerke einbinden, zur Zusammenarbeit innerhalb Europa bereit sind und dank der Netzwerkarbeit sogar in der Lage sind, aus unserer Kleinheit einen Vorteil zu ziehen wie etwa die kurzen Verwaltungswege und der direkte Bürgerdialog“, unterstrich Minister Oliver Paasch.
(Quelle: Südtiroler Volkspartei)