Praktikant, Julius Silbernagel, bei der FUEN in Flensburg

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Das FUEN Büro in Flensburg hatte vorübergehend ein neues Gesicht in seinen Reihen. Julius Silbernagel (23), Student am University College London, verstärkte für einige Wochen das FUEN Team im Rahmen eines Praktikums. Nach der eher ruhigen Sommerpause bewegt sich nun langsam die Politik wieder, was auch zu einem deutlich regeren Treiben bei der FUEN führt. Dadurch ist jede helfende Hand herzlich willkommen. Julius ist dabei mit seinem breit aufgestellten Studiengang, der sowohl Politik, Philosophie, als auch Wirtschaftswissenschaften umfasst, eine große Bereicherung. Trotz des überschaubaren Praktikumszeitraums vermag er die permanenten Mitarbeiter merklich bei der Veranstaltung von Seminaren, dem Verfassen von Berichten und Anträgen sowie bei Übersetzungsarbeiten zu entlasten.

Bereits vor seinem Studium in London verbrachte Julius längere Zeit im französischsprachigen Ausland, in der französischen Schweiz und in Belgien. Dadurch vermag er es leichtfertig zwischen Englisch, Französisch und seiner Muttersprache Deutsch hin- und herzuwechseln. Er hat bereits praktische Erfahrungen im Ministerium für Inneres des Landes Schleswig-Holstein, im Verwaltungsvorstand der Stadt Flensburg sowie dem Bund deutscher Nordschleswiger (BDN) in Dänemark sammeln können.

Die Mehrsprachigkeit ist ein Kernstück der FUEN Arbeit und dementsprechend ist Julius Dreisprachigkeit hier sehr willkommen, aber auch die beruflichen Erfahrungen passen gut mit dem Aufgabenprofil der FUEN zusammen. Sowohl die Landesregierung als auch die Stadt Flensburg arbeiten als Förderer häufig mit der FUEN zusammen, wodurch Erfahrungen aus der Arbeitsweise dieser Behörden äußerst wertvoll sind. Hinzu kommt, dass Julius durch seine Zeit bei der deutschen Minderheit in Dänemark mit der Minderheitenthematik bereits vertraut war.

Unsere FUEN Mitarbeiter in Flensburg haben sich mit Julius zusammen gesetzt und sich darüber unterhalten, woher sein Interesse an Minderheiten kommt.

„Obwohl ich in Schleswig aufgewachsen bin, wo viele Institutionen und Organisationen der dänischen Minderheit ansässig sind, hat mich das Thema in meiner Jugend nur peripher tangiert. Erst als ich ins Ausland gegangen bin und in der Schweiz und Belgien in gleich zwei Gesellschaften gelebt habe, in denen sprachliche Vielfalt Normalität ist, zeitgleich aber auch viele politische und gesellschaftliche Herausforderungen mit sich bringt, bin ich für die Fragestellung, was nationale Zugehörigkeit eigentlich bedeutet, sensibilisiert worden. Ergänzt durch eine theoretische Auseinandersetzung mit Nationalismus, Nationalstaaten und Transnationalismus im Rahmen meines Studiums ist mir erst so richtig bewusst geworden, wie unheimlich vielschichtig die Thematik ist und dass es in meiner Heimatregion mit den Minderheiten einen unheimlich spannenden Mikrokosmos gibt, der genau diese Komplexität abbildet.“  

Wie nimmst du als Teil der Mehrheitsbevölkerung die Minderheiten wahr?

„Ich sehe diese beiden Kategorien etwas kritisch, da sie so einen leicht antagonistischen Anschein haben. Dementsprechend sehe ich mich auch nicht wirklich als Zugehöriger einer der beiden Parteien, der jetzt in der Lage wäre, eine repräsentative Aussage im Namen der Mehrheitsbevölkerung treffen zu können. Aber in meiner persönlichen Wahrnehmung sind jene, die mit einem Minderheitenhintergrund aufwachsen und leben besonders qualifiziert, im Prozess einer fortschreitenden europäischen Integration und Globalisierung eine beratende Expertenrolle einzunehmen, mit welchen Institutionen, Organisationen und Maßnahmen kulturelle und sprachliche Vielfalt bewahrt werden kann. Und das, ohne dabei auf die Institution des Nationalstaates angewiesen zu sein, der mit Leitkulturen und Abgrenzung eine fiktive Nationalkultur zu bewahren versucht. Für mich erfüllen die Minderheiten in der Tat die Funktion von Brückenbauern, welche die gesellschaftliche Bedeutung von nationalen Grenzen aufweichen und die ein lebendes Beispiel für die Vereinbarkeit von vielschichtigen nationalen und europäischen Identitäten sind.“

Hat diese scheinbar sehr positive Wahrnehmung auch Schattenseiten?

„Wenn ich mich mit Bekannten über die Minderheitenthematik unterhalte, kommt häufig die Frage auf, ob ich es nicht befremdlich finde, dass zum Beispiel in der deutsch-dänischen Grenzregion einige Menschen auch hundert Jahre nach der Grenzziehung noch so sehr die jeweils andere Nationalität hochhalten, als hätten sie sich immer noch nicht mit den politischen Gegebenheiten abgefunden. Einige sind skeptisch, ob es sich nicht womöglich um eine ungesunde Form von Patriotismus mit verdecktem Grenzrevisionismusstreben handelt. Dem entgegne ich dann meistens, dass sich das Sprachliche und Kulturelle teilweise von dem Politischen trennen lässt. Es wäre höchst kontrovers, von einem amerikanischen Ureinwohner zu fordern, seine traditionellen Wurzeln nicht mehr kultivieren zu dürfen, nur weil sich die Gesellschaft um ihn herum fundamental verändert hat. Und ebenso sollte auch die altangesessene Grenzlandsfamilie das Recht haben, ihre Sprache weiter zu pflegen, unabhängig davon, ob sich die Nationalgrenzen verschieben. Ausgehend von dieser Grundlage wird es zur gesamtgesellschaftlichen und politischen Herausforderung, dass dieses Anrecht auf die Pflege der eigenen Kultur nicht zwangsläufig zu Parallelgesellschaften führt. Eine Herausforderung, die meiner Meinung nach im deutsch-dänischen Grenzland sehr gut gelöst wurde, sodass heute beide Minderheiten gut in der jeweiligen demokratischen Strukturen des Landes integriert sind.“

Hast du Verbesserungsvorschläge, wie die Minderheiten und insbesondere die FUEN als deren Vertreter in der Öffentlichkeit auftreten sollten?

„Die Zielgruppe in der „Mehrheitsbevölkerung“, von der sich die Minderheiten Solidarität und Unterstützung erhoffen könnten, ist jene, die mit einem multikulturellen europäischen Gedanken etwas anfangen kann; jene, die Vielfalt als etwas Schützens- und Unterstützungswertes erachtet. Diese Zielgruppe ist aber auch häufig jene, die äußerst skeptisch auf alles reagiert, was mit ‚National-‘ zu tun hat und genau die kritischen Fragen stellt, die ich vorhin beschrieben habe. Die FUEN muss in der Lage sein, genau auf diese kritischen Fragen Antworten zu finden, um die Bedenken zu entkräften. Vielleicht muss sogar darüber nachgedacht werden, ob die Wortwahl von „Föderalistische Union Europäischer NATIONALITÄTEN“ und „NATIONALE Minderheiten“ nicht auf manch einen eine abschreckende Wirkung haben kann."

Was nimmst du mit aus deinem Praktikum?

"Ich habe unheimlich viel mitgenommen: von den wertvollen Einblicken in die Arbeitsweisen einer international agierenden NGO bis hin zu zahlreichen interessanten Daten und Fakten über die kulturelle Vielfalt in Europa. Vor allem aber habe ich gelernt, dass Friesisch etwas ganz anderes ist als Plattdeutsch und das „osteuropäisch“ ein deutlich kontroverserer und komplexerer Begriff ist, als man meinen würde. Und ich habe gelernt, dass drei Wochen unheimlich schnell vorbei gehen, wenn man eine gute Zeit hat!"


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