Minderheiten im Kaukasus: Dialog und Bildung sind essentiell für eine stabile Zukunft

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Bildung sowie die Bewahrung von Sprache und Kultur seien grundlegend für die Existenz der Minderheiten, da sich nur gebildete Menschen in ihrem Leben weiterentwickeln können. Dies bemerkte Olga Martens in ihren einleitenden Worten zu dem ersten Workshop des Seminars. Im Anschluss stellte Maya Astvatsaturova, Professorin an der Föderalen Universität Nordkaukasus in Pjatigorsk in der Stawropol Region, das Bildungssystem sowie derzeitige Tendenzen im Kaukasus vor. Die Universität, an der sie lehrt, gilt als Vorzeigeuniversität des erst kürzlich gegründeten Föderationskreis Nordkaukasus. Das Studienangebot beinhaltet u.a. Studien der verschiedenen Kulturen und Staatssprachen der nordkaukasischen Bevölkerung näher. Der Föderationskreis Nordkaukasus hat ein besonderes Bildungssystem, da in ihm neben der autochthonen nordkaukasischen Bevölkerung mehrere Minderheiten leben, u.a. Polen, Bulgaren, Armenier, Roma, Meschetentürken und viele weitere. Die Bewahrung der Sprache stelle sich für sie aus diesem Grund als eine größere Herausforderung dar, schlussfolgerte Astvatsaturova.

Volkert Faltings, der seit 42 Jahren auf der Insel Föhr Friesisch unterrichtet, ging auf die Herausforderungen ein, mit denen sich eine der kleinsten Sprachen Europas konfrontiert sieht. Die friesische Sprache wird von 15.000 Menschen in Deutschland sowie in den Niederlanden gesprochen. Es gibt verschiedene Dialekte und Sprachvariationen. Nachdem das Unterrichten des Friesischen zwischen 1920-1933 seine Hochzeit erlebte, ist es erst seit 2008 ein Unterrichtsfach an dem Gymnasium in Föhr. Auch wenn sich dem System einige Hindernisse in den Weg stellen, handele es sich dabei, um ein gutes Beispiel für die Revitalisierung einer kleinen Sprache, bemerkte Faltings. Mit dieser Herausforderung sähen sich mehrere kleine Sprachgruppen konfrontiert. 

Innerhalb des zweiten Workshops, der von Halit Halip Oglu moderiert wurde, stellte Bella Shakmirza das Sommercamp vor, das sie in diesem Jahr für Kinder aus Karatschai-Tscherkessien, Nordkaukasus organisiert hat. An dem elftägigen Projekt, das den von Google veranstalteten Wettbewerb „Beyond Capitals“ als beste lokale Studieninitiative in Russland gewonnen hat, nahmen 87 Kinder unterschiedlicher Ethnien aus fünf verschiedenen Orten teil. Das Programm beinhaltete Kurse zu der nogaischen Kultur, Englisch, Kunst, Theater, Musik und Sport mit zusätzlichen Diskussionsrunde, Spielen und Treffen mit Jugendleitern. Das Sommercamp verfügte über ein Budget von 2.300 Euro und wurde vollständig durch Spendensammlungen finanziert. Für die nächsten Jahre sei die Vergrößerung des Camps auf 200 teilnehmende Kinder geplant, verriet Shakmirza.

Tamari Bulia präsentierte die Aktivitäten des ECMI in Georgien. Die Organisation, die seit 20 Jahren besteht und ihren Sitz in Flensburg hat, beschäftigt sich mit der Forschung und der Analyse von Minderheitenangelegenheiten. Ein weiterer Schwerpunkt bildet ihre Zusammenarbeit mit politischen Entscheidungsträgern, Forschern, akademischen Kreisen und NGOs. Zwischen den Jahren 2003-2013 führten sie ein regionales Büro in Georgien, mit dem sie den Dialog zwischen Minderheits- und Mehrheitsbevölkerung förderten sowie der Forschung und politikorientierten Aktivitäten nachgingen.  Bulla hatte den Anwesenden eine gute Nachricht mitgebracht. Das Büro des ECMI in Georgien öffnet 2018 wieder seine Türen in Kooperation mit einer lokalen NGO. Der Fokus werde auf die politische Teilnahme und Repräsentation, Bildung, Minderheitenmedien und geschlechtlichen Aspekten gelegt.

Der letzte Workshop des Seminars, in dem es um die Rolle der Minderheiten als Brückenbauer ging, wurde von FUEN Vizepräsident Gösta Toft moderiert. FUEN Honorarpräsident Hans Heinrich Hansen erzählte von den Erfahrungen der deutsch-dänischen Grenzregion, wo die momentane Situation ideal scheine. Dies sei jedoch nicht immer der Fall gewesen. Hansen wirft diesbezüglich die Frage auf, wie es zur Integration der Minderheit kam, wenn sie Jahre davor noch gezwungen waren im Ghetto zu leben. Ein Dialog auf Augenhöhe könne erst geschehen, wenn eine Bereitschaft der Mehrheitsgesellschaft und ein gesundes Maß an Selbstvertrauen der Minderheit vorhanden ist. Hansen legte weiter dar, dass die politische Emanzipation sich als eine Bedingung für die Bewahrung von Sprache, Kultur und Bildung bewiesen habe. Sein Fazit lautete, dass in grenzüberschreitenden Beziehungen Minderheiten aufgrund ihrer interkulturellen Kompetenzen als Brückenbauer fungieren können. 

Anita McKinna (ECMI) sprach über die Bedeutung des Dialogs zwischen Gemeinschaften in Post-Konfliktgesellschaften. Dafür ging sie zunächst auf den Prozess der freiwilligen Segregation ein. Angst vor Assimilation führe zu Selbstausgrenzung durch die Schaffung von parallelen Systemen. In Gesellschaften, die erst kürzlich den Konflikt überwunden haben, gäbe es die Tendenz, dass Sicherheit sowie Institutionenaufbau für wichtiger als Versöhnung und Dialog wahrgenommen werden. Dialog könne in derartigen Situationen als stabilisierender Faktor zwischen Minderheits- und Mehrheitsbevölkerung fungieren. Er bewirke, dass beide Seiten mehr über die jeweils andere Seite erfahren, was zur Stärkung der Demokratie führe. Folglich erleichtere Dialog die Konfliktprävention sowie die Versöhnung, sagte Anita McKinna. Im Weiteren ging sie auf effiziente Modelle und Aktivitäten ein, die Dialog ermöglichen. 

In seinen Schlussbemerkungen sagte der FUEN Präsident Loránt Vincze, dass ein Dialog in eingefrorenen Konflikten möglich sei und dass er gleichermaßen weiteren Konflikten vorbeugen kann. Es sei klar, dass es kein allgemeingültiges gutes Beispiel, nicht die eine Lösung für alle Gemeinschaften geben könne. Jede Gruppe brauche eine individuelle Lösung, da sich die lokalen Wirklichkeiten zutiefst unterscheiden.

Des Weiteren sagte der Präsident der FUEN: „Die sprachliche Identität ist sehr wichtig und für ihre Bewahrung sind Bildungsrahmen notwendig. Es gibt viele verschiedene Modelle, aber sie alle eint dasselbe Ziel: die Erhaltung von Sprache für die folgenden Generationen. Außerdem müssen wir uns einräumen, dass sich unsere Gemeinschaften zu neuen Formaten, zu neuen Staatsmodellen entwickeln. Die Minderheiten müssen Veränderungen akzeptieren und sich ihnen anpassen, um aus diesen Prozessen als Gewinner und nicht als Verlierer hervorzutreten“.

Die Teilnehmenden waren sich einig, dass die Initiative der FUEN weitergeführt und erweitert werden muss. Außerdem diskutierten sie die Möglichkeit, eine ähnliche Veranstaltung im Kaukasus zu organisieren.  

 

*Das Projekt wurde vom Bundesministerium des Innern unterstützt und mit Mitteln der Bundesrepublik Deutschland gefördert.

 


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