Unsere Regionen aktiv gestalten: FUEN versammelte Vertreter aus Minderheitenregionen und minderheitenfreundlichen Regionen in Südtirol

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Das dritte Forum der Minderheiten- und minderheitenfreundlichen Regionen mit dem Titel “Unsere Regionen aktiv gestalten”, das von der FUEN organisiert und vom 13. bis 14. Dezember 2018 in Südtirol stattfand, war eine gute Gelegenheit, aus den jeweiligen Erfolgen und Herausforderungen voneinander zu lernen. Die Teilnehmer, die Regionen aus ganz Europa repräsentierten, diskutierten die Rolle des Staates bei der Unterstützung oder Behinderung der Entwicklung benachteiligter Regionen und auch darüber, wie die Regionalbehörden diese Probleme lösen könnten. In diesem Zusammenhang wurden einige bewährte Verfahren vorgestellt, die zur Stärkung der Entwicklung von Minderheitenregionen beitragen können. Die positive Rolle der zweisprachigen und mehrsprachigen Verwaltungs- und Kooperationsstrukturen zählte ebenfalls zu den Themen des Forums.

Der Vizepräsident des Südtiroler Landtages und FUEN Vizepräsident Daniel Alfreider begrüßte die Teilnehmenden in Bozen "Wir glauben an unser Projekt. Wir alle können Kraft aus der Zusammenarbeit schöpfen. Wenn wir unsere Kräfte bündeln, können wir vorankommen, wir können die Ängste überwinden, die uns blockieren" - sagte er. Er fügte hinzu, dass Südtirol in dieser für Europa kritischen Situation ein kleines Europa innerhalb Europas aufbauen sollte, in dem die deutschen, italienischen und ladinischen Bevölkerungsgruppen einen Weg zur Zusammenarbeit und zum gemeinsamen Handeln gefunden hätten.

FUEN Präsident Loránt Vincze sagte, dass die FUEN nicht nur das Recht habe, über Kultur- und Sprachfragen zu sprechen, sondern auch über den Alltag von Minderheitengemeinschaften, die Art und Weise, wie sie in ihren Heimatstaaten leben, dabei stellen die Regionen die den Menschen näheste Struktur dar, auf die sich unsere Gemeinschaften beziehen können. Er erinnerte die Teilnehmenden des Forums auch daran, dass einer der wichtigsten Punkte der Minority SafePack Initiative die Adaptierung der Regionalpolitik der EU ist, mit dem Ziel den Bedürfnissen der Minderheiten gerecht zu werden.

In seiner Grundsatzrede zur Regionalpolitik und zu den Minderheitensprachen stellte Dr. Régis Dandoy, Professor an der Universität Gent und Experte für Föderalismus, Dezentralisierung und Regionalpolitik, Maßnahmen der EU zur Verwendung von Regional- und Minderheitensprachen vor. Obwohl oft das Gegenteil behauptet wird, seien Minderheiten- und Regionalsprachen nicht wirklich eine Priorität der EU. “Aber trotzdem könne die Situation besser sein, als wir denken” - sagte er und zeigte auch einige Bereiche auf, in denen Verbesserungen stattfinden sollten. In Bezug auf die Regionalpolitik und die Kohäsionspolitik sollte die Kommunikation mit den Regionalbehörden in Minderheitensprachen ermöglicht werden. Die Gemeinsame Agrarpolitik ist ein weiterer Bereich, in dem Dokumente in den Regional- und Minderheitensprachen verfügbar sein sollten, und auch das Programm “Digital Europe” sollte diesen Aspekt berücksichtigen.

In dem von Johan Hagmann moderierten Panel "Wirtschaftliche und gesellschaftliche Veränderungen in unserer Heimat" stellte Daniel Alfreider die Geschichte Südtirols vor und wie man in Südtirol das System der Prozentsätze an Angehörigen der deutschen, italienischen und ladinischen Sprachgruppe in der öffentlichen Verwaltung und politischen Gremien ausarbeitete. Er sagte, dass die Gemeinschaften zusammenarbeiten müssen, und die junge Generation müsse alles daran setzen, zu erklären, dass jede Sprache einen Mehrwert darstellt.

Aleix Sarri, Koordinator der internationalen Politik für das katalanische Präsidentenamt, stellte die wirtschaftliche Situation der Region vor und wies auf die negativen Auswirkungen hin, die die politische und fiskalische Zentralisierung auf eine Region haben kann, weil durch sie immer mehr menschliche und finanzielle Ressourcen entzogen werden. Die Lösung besteht darin, die katalanische Wirtschaft mehr und mehr für die internationale Gemeinschaft zu öffnen und weniger von der spanischen Wirtschaft abhängig zu sein. Er erwähnte auch die Vorteile des Sprechens der katalanischen Sprache, da 70 % der Katalanen Verwandte haben, die außerhalb der Region leben.

Róbert Grüman, Vizepräsident des Kreisrates Covasna, nannte die größten Probleme, mit denen die lokalen Führungskräfte konfrontiert sind: den Mangel an Mitteln, um beispielsweise die Zweisprachigkeit in die Praxis umzusetzen, den Mangel an Kompetenzen, da sie in einem zentralisierten Land leben, in dem die Regionen keine Verwaltungskompetenzen haben, und den Mangel an einer guten Meinung gegenüber den in der Region lebenden Ungarn. Der Tourismus sei eine Möglichkeit, dies zu bekämpfen: die Region hat eine Strategie, um die 160 Villen und Schlösser, die Natur und die Traditionen zu schätzen, um das Image zu verändern und den rumänischen Touristen die lokale Realität zu vermitteln.

Meto Nowak, Referent der Landesbeauftragten für Angelegenheiten der Sorben und Wenden in Brandenburg, sprach über die Probleme der Minderheiten in der historischen Region Lausitz. Die schnelle Deindustrialisieren nach 1990, die Schließung von Kohlebergwerken und Fabriken in der Region führte zu einer existenziellen Krise für die Bevölkerung. Ein weiteres Problem ist, dass sich die Sorben selbst nicht alle ihres gesellschaftlichen und sprachlichen Wertes bewusst sind, da sie eine kleine Gemeinschaft mit einer Sprache sind, die nur in der Region verwendet wird. 

Das Panel mit dem Titel Erfahrungen und Maßnahmen zur Förderung der Entwicklung begann mit einer Einführung von Petra Szávics. Die Expertin für Regionalpolitik sagte, dass es in benachteiligten, multiethnischen Regionen oft Unterschiede zwischen Minderheiten gibt.

 

Das Panel mit dem Titel Erfahrungen und Interventionen zur Entwicklungsförderung begann mit einer Einführung von Petra Szávics. Die Expertin für Regionalpolitik sagte, dass es in benachteiligten, multiethnischen Regionen oft Unterschiede zwischen Minderheiten und Mehrheiten gibt, die sich in sozialen, wirtschaftlichen oder politischen Bereichen widerspiegeln. Aber die aktive Förderung der Mehrsprachigkeit kann nicht nur dem Einzelnen zugutekommen: Sie kann auch ein Mehrwert für die Gesellschaft sein, in der die Menschen leben. Mehrsprachigkeit ist eine Quelle der Innovation durch Kreativität und damit ein Motor für Wirtschaftswachstum und sozialen Zusammenhalt - so die Expertin.

Die Südtiroler Landesrätin Martha Stocker hob das erfolgreiche Bildungsmodell Südtirols hervor, bei dem jede Gemeinde ein eigenes Schulsystem hat, anstatt zweisprachige Schulen zu haben. Sie sagte, dass dies eine Region ist, die sich stark auf europäische Themen konzentriert, sich ihrer Vergangenheit und Geschichte bewusst ist und als Schnittstelle zwischen den Staaten fungiert.

Ydwne Scarse von der Jugend Europäischer Volksgruppen sprach über ihre Region Friesland, wo 92% friesisch verstehen, aber nur 13% in der friesischen Sprache schreiben können. Sie stellte einige bewährte Methoden vor, unteranderem jene die im Zuge des des Programms für die europäische Kulturhauptstadt 2018 in Leeuwarden angewandt wurden. Dort wurde die friesische Sprache und Kultur als eine Bereicherung verwendet und somit wurde eine positive Wahrnehmung des Friesischen geschaffen. Wienke Reimer, Graenseforeningen, Dänemark, präsentierte ihr innovatives Projekt zur Bildung junger Führungskräfte, genannt Minority Changemakers.

Sebastian Wladarz, Landesgeschäftsführer des Ost- und Mitteldeutschen Verbandes, sprach über Oberschlesien, wo die deutsche Sprache Investoren aus dem deutschsprachigen Raum anzieht. Das Fehlen eines kontinuierlichen Bildungssystems vom Kindergarten bis zur Universität behindert jedoch die Entwicklung Oberschlesiens zu einer florierenden Minderheitensprachregion. Dies wäre notwendig, um das Potenzial der Region voll auszuschöpfen.

In seinen Schlussworten wies Paul Videsott, Dekan der Fakultät für Bildungswissenschaften der Freien Universität Bozen, darauf hin, dass in Europa nur 16 Minderheiten mehr als 300.000 Angehörige zählen, während 87 Minderheiten weniger als 5000 Mitglieder haben, und dass diese kleinen Minderheiten parapolitische und gesellschaftliche Interventionen bedürfen, um überleben zu können. Er betonte auch die positive Rolle, die Minderheiten bei der wirtschaftlichen Entwicklung einer Region spielen können, was ein Faktor dafür sein kann, um die Mehrheit zu gewinnen. Er betrachtete auch die Vorteile der Mehrsprachigkeit als Alleinstellungsmerkmal für Minderheiten.

Am zweiten Tag der Konferenz stellte Anna Magyar, Berichterstatterin für die Europäischen Charta der Regional- und Minderheitensprachen im Europarat, den Bericht zum 25-jährigen Bestehen der Charta vor, der viel mehr ist als ein Jubiläumsbericht, da er die Herausforderungen, Ergebnisse und Praktiken des Überwachungsverfahrens des Europarts vorstellt und analysiert.  Das Ziel ihrer Rede war, einen Blick auf die regionale Ebene zu werfen. In der Praxis müssten für die regionalen und lokalen Ebenen wirksame Instrumente zur Überwachung der Umsetzung der Empfehlungen eingeführt werden.

Im Panel über den Mehrwert der zweisprachigen und mehrsprachigen Verwaltung erörterte Daniel Alfreider, wie die kleine ladinische Gemeinschaft von der Mehrheit in Südtirol unterstützt wird: Sie verfügt über ein eigenes Amt, gewisse Kompetenzen und ein Schulsystem. Die ladinischen Verbände sowie Musik- und Sportvereine als auch kulturelle Aktivitäten werden vom Land Südtirol finanziell unterstützt. Er wies des weiteren darauf hin, dass es sich auch in topographischer Hinsicht um eine dreisprachige Region handelt, da die Ortsbezeichnungen dreisprachig sind auch die öffentliche Verwaltung Dienstleistungen in allen drei Sprachen anbietet. Óscar-Adriá Ibánez Ferreté,Plataforma per la Llengua stellte die Tätigkeiten seiner Organisation vor, die sich für die Normalisierung, Revitalisierung der katalanischen Sprache und die Förderung der Sprachrechte in der öffentlichen Verwaltung, Justiz und Wirtschaft einsetzt. 86 % der Katalanen nutzen Katalanisch als Kommunikationsform gegenüber regionalen Behörden, 82 % gegenüber den lokalen politischen Organen, aber nur 50 % gegenüber der staatlichen Verwaltung in Katalonien.

Die ehemalige Abgeordnete Inaki Irazabalbeitia Fernandez stellte die Lage zur baskischen Sprache vor, die in drei verschiedenen Regionen gesprochen wird und in allen drei einen unterschiedlichen Status hat. In der öffentlichen Verwaltung des Baskenlandes ist Baskisch eine Dienstleistungssprache aber keine Arbeitssprache, er stellte Pläne vor, wie man diesen Umstand ändern könnte. Sergiu Constantin, Forscher für Minderheitenrechte bei Eurac Research, sprach über die Bedeutung einiger Kontextfaktoren wie Größe und Konzentration einer Regionalsprache und auch über unterschiedliche Ansätze unter den Staaten für die Gewährleistung von Sprachrechten, welche territorial oder linguistisch (mit Schwellenwerten) eingegrenzt oder durch die Kombination beider eingegrenzt werden.

Das letzte Panel behandelte Kooperationsmethoden und bewährte Verfahren im Bereich des Sprachengebrauchs. Dr. Michele Gazzola, Dozent an der Universität Ulster, sagte, dass für eine erfolgreiche Umsetzung der Mehrsprachigkeit auf Behörden gezielte politische Instrumente eingesetzt werden müssen, die anhand wirksamer Überwachungsindikatoren zu bewertensind. Dr. Colin Williams, Professor an der Universität Cardiff, stellte die Revitalisierung der walisischen Sprache als positives Beispiel vor. „Eine Sprache zu retten ist nicht nur für die Minderheiten gut, sondern für alle, es ist etwas, worauf auch die Mehrheit stolz sein kann“, sagte er. Dr. Tom Moring, Professor an der Universität Helsinki, sprach über die Gefahren, welchen kleinere und weniger verbreiteten Sprachen ausgesetzt sind und die im digitalen Zeitalter zurückbleiben. Er appellierte, dass wir Minderheitensprachen in den digitalen Modus überführen müssten: Wenn diese nicht online verfügbar sind, werden sie aussterben.

In seinen Schlussworten stellte FUEN-Präsident Loránt Vincze fest, dass die Konferenz den Teilnehmern viele Ideen zum Nachdenken gab, und diese Form der Zusammenarbeit fortgesetzt werden müsse. "Minderheitenrechte und -sprachen erfordern einiger innovativer Ansätze. Wenn wir versuchen, unseren Blickwinkel zu ändern und das Problem des Sprachgebrauchs in der öffentlichen Verwaltung aus der Perspektive guter Dienstleistungen und der wirtschaftlichen Entwicklung anzugehen, können wir erfolgreich sein und Konflikte mit der Mehrheit vermeiden" - sagte er.


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